Unser Bundesland Bayern wird immer internationaler und bunter. Hier
bestimmt die soziale Herkunft in stärkerem Maß über den Schulerfolg als in
vielen anderen Ländern. Es fragt sich nun, wie die Schere zwischen den
Bildungschancen der benachteiligten und der privilegierten Schüler kleiner
wird. Die Kinder aus neuen oder schon lange hier lebenden Bürger haben hier in
Bayern gute Erfolgschancen. Alle Kinder und Jugendliche erhalten gleichen
Zugang zu hochwertiger Grund- und Sekundarbildung. Um den vorzeitigen
Schulabbruch zu verhindern, sollten jedoch einige Maßnahmen getroffen werden.
Damit die hier geborenen Kinder mit Migrationshintergrund in den Schulen,
in denen viele benachteiligte Schüler versammeln, bessere Bildungschancen haben,
sollten die Eltern, die nicht imstande sind, ihre Kinder zu Hause selber sprachlich
und pädagogisch zu betreuen, im Vorschulalter die nötigen Maßnahmen treffen und
ihre Kinder mit über 4 Jahren in den Kindergarten bringen, damit sie neben der
Herkunftssprache gute Deutschkenntnisse erwerben, denn wer nichts versteht,
kann sich nicht verständigen und wer sich nicht verständigen kann, tut sich
schwer, ihre schulischen Aufgaben zu erledigen.
Im Kindergarten, wo Gleichaltrige mit Gleichaltrigen spielen und gemeinsam
die Welt entdecken, wird nicht nur Sprache, sondern auch eine ganz neue
Lebensform, Kulturen und Sitten gelernt, Freundschaften geschlossen und die
Kinder eignen sich an ein interkulturelles Leben.
Vor dem Kindergartengehen ist es wichtig, Abschiedsdramen zu vermeiden und den
Kindern klar mitzuteilen, dass es ihnen dort gut gehen wird und gut betreut werden,
sogar sie dort selbständig zur Toilette gehen können und ein gewisses
Zeitverständnis beibringen, “ich bleibe hier ein bisschen um zu spielen und
meine Mama oder mein Vater holt mich danach wieder ab. Nachmittags gehört uns
als Familienzeit” usw.
Den Eltern, welche ihre Kinder zu Hause zu betreuen beabsichtigen, wird es
empfohlen, in bestimmten Zeitabschnitten auf organisierten Arbeits- und
Spielgruppen zu gehen, und die Selbstbetreuung zu Hause nur als eine Notlösung
zu sehen, denn wenn die Kinder aus bildungsfernen Familien zur Schule kommen
und bis zur Einschulung zu Hause betreut werden, weisen gegenüber Kita-Kindern häufiger
Defizite auf. Die Eltern, die sich in finanzieller Not befinden, haben auch die
Möglichkeiten, Zuschüsse vom Staat für den Kita-Platz in Anspruch zu nehmen.
Damit auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden können und die
Kinder später starke, selbstbewusste Erwachsene werden können, sollte dieser
Kindergartenbesuch nicht abgewertet werden. Parallel zu dem Kindergarten wäre es
von Vorteil, den Kindern zu Hause auch die Herkunftssprache beizubringen, mit
den Kindern Bücher in der Herkunftssprache lesen, denn die Herkunfts- bzw. Muttersprache
ist ein wesentlicher Teil der persönlichen Identität von migrationsstämmigen
Bürgern und der Gruppenkultur.
Mit dem Wechsel vom Kindergarten in die Schule schließen Kinder in der
Regel innerhalb kürzester Zeit eine Menge neuer Freundschaften. Dort merken sie
die fehlende Anerkennung ihrer Herkunftssprache. Auch dort sollte ihnen die
Möglichkeit gegeben werden, ihre von den Eltern lückenhaft mitgebrachte
Familiensprache zu ergänzen. Die Schule sollte ein Ort, an dem die Kinder
aufwachsen und ein Grundgefühl von Geborgenheit und Identität spüren und die
Verbindung von räumlicher und sozialer Sicherheit haben.
Wenn dem Kind implizit oder explizit die Botschaft vermittelt wird “Lass
deine Sprache und Kultur vor dem Schultor!” dann lassen die Kinder einen
wesentlichen Teil ihrer Identität vor dem Schultor. Die Gefahr liegt dann nahe, dass sie weniger
aktiv am Unterricht teilnehmen, sich schlechter mit der Schule und der
Gesellschaft identifizieren, sich minderwertig fühlen und Schwierigkeiten
haben, eine stabile Identität zu entwickeln.
Die Sprache ist deshalb ein wichtiger Teil der persönlichen Identität und in
diesem Sinne wäre sie unter anderen eine relevante Eintrittskarte für ein
besseres Leben unter dem Himmel der bunten Bayern.
Ps. Dieser Artikel wurde in der deutsch türkischer Zeitschrift Ari-Magazin (www.ari-magazin.de) herausgegeben. Mustafa Cakir (2019). Eine relevante Eintrittskarte für ein besseres Leben. Arı: Deutsch türkisches Magazin für Berichte, Reportage, Kommentare. 24. Jahrgang: Juli-August-September, Ausgabe 121. 2019, s. 28.
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